Uni-Logo
Sie sind hier: Startseite Doppelsitzung mit Philipp Winterstein (Freiburg) und Marvin Hottenbacher (Freiburg)

Doppelsitzung mit Philipp Winterstein (Freiburg) und Marvin Hottenbacher (Freiburg)

— abgelegt unter:

Was
  • Kolloquium
Wann 07.11.2024
von 18:15 bis 19:45
Wo KG IV, Raum 4429
Termin übernehmen vCal
iCal

Wir laden Sie herzlich zu unserer nächsten Kolloquiumsveranstaltung mit Philipp Winterstein und Marvin Hottenbacher am 07.11.2024 ein. 


Philipp Winterstein und Marvin Hottenbacher werden jeweils einen Vortrag zu Alexandra Schauers „Mensch ohne Welt“ im Kontext einer negativen Anthropologie und Interdisziplinäre Exploration des Verbundenheitsgefühls halten. Mehr Informationen zu den Inhalten der Vorträge finden Sie in den Abstracts unten.


Die Veranstaltung findet von 18:15–19:45 Uhr in Raum 4429 (KG IV) statt. 
Alle Interessierten sind herzlich willkommen!

 

 Poster Winterstein und Hottenbacher

 

 

Philipp Winterstein: Alexandra Schauers „Mensch ohne Welt“ im Kontext einer negativen Anthropologie 
In Alexandra Schauers Werk „Mensch ohne Welt“ wird der Verlust von Welt als zentrales Merkmal der modernen Gesellschaft beschrieben. Die Welt versteht Schauer dabei – im Anschluss an Hannah Arendt – als einen geteilten Erfahrungsraum, der aktiv gestaltbar ist. Doch laut Schauer scheint diese Gestaltbarkeit heute kaum noch möglich, da die flexiblen Zeitstrukturen der Dienstleistungsökonomie keine Zukunftsperspektiven mehr zulassen. Dies versucht sie in einer historischen Analyse zu verdeutlichen, die in der frühen Neuzeit ansetzt. Sie beschreibt eine Entwicklung, in der sich starre Sozialverhältnisse auflösen, die Welt gleichzeitig aber immer stärker als funktional und zweckbestimmt erlebt wird. Welche Auswirkungen hat dies auf das menschliche Selbstverständnis? Inwiefern prägt dieser Verlust die menschliche Existenz, und welche Definitionen des Menschen können daraus abgeleitet werden? Der soziale Wandel führt für Schauer zu einem übergreifenden Verständnis von Menschheit, Weltverlust impliziert aber zugleich eine Entfremdungserfahrung, die auch von anderen kontemporären Theoretiker:innen hervorgehoben wird. So zum Beispiel von Hartmut Rosa, wie der Philosoph Peter Schulz in seinem Werk "Kapitalistische Subjektivation: Das Subjekt des kybernetischen Kapitalismus zwischen Digitalisierung, Prekarisierung und Autoritarismus" feststellt: „Entfremdung wird von Rosa – schon 2025 in Beschleunigung – als gestörte Selbst- und Weltbeziehung verstanden, in der dem Subjekt keine gelungene Lebenspraxis mehr möglich ist.“ Schulz zieht hier Parallelen zu Heidegger und Rousseau. Dem Entfremdungsbegriff stellt Schulz den Begriff der „Verdinglichung“ gegenüber, um so anthropologische Vorannahmen zu umgehen. Mit Bezug auf Karl Marx und die kritische Theorie geht es ihm vielmehr darum, spezifisch historische Produktionsverhältnisse zu beleuchten, die mit den Begriffen Warentausch und Lohnarbeit verknüpft sind. Eine Masterarbeit soll sich mit diesem Spannungsverhältnis im Werk Schauers auseinandersetzen, denn auch sie nimmt immer wieder Bezug auf Hartmut Rosa und Karl Marx. Damit stellt sich die Frage, ob Schauers Ansatz mit einer negativen Anthropologie kompatibel ist, die den Menschen nicht auf feste Wesensmerkmale reduzieren will. Schauers Thesen sollen im Kontext der negativen Anthropologie untersucht werden, um bestimmte Annahmen über den Menschen zu hinterfragen und alternative Lösungsansätze zu formulieren.


Marvin Hottenbacher: Interdisziplinäre Exploration des Verbundenheitsgefühls 

Ich suche nach den anthropologischen Grundlagen der Phänomenologie vom Verbundenheitsgefühl, darunter sowohl die ‘fernen’ Erklärungen wie die biologische Evolution und gesellschaftliche Entwicklungen als auch die ‘nahen’ Erklärungen wie die neuronalen und psychologischen Prozesse.

Im Wechselspiel mit den Grundlagen für das Phänomen, soll auch das Phänomen selbst beschrieben werden, wodurch im besten Fall ein vertieftes Verständnis für das Phänomen geschaffen wird, welches einen wieder nach seinen weiteren anthropologischen Grundlagen fragen lassen kann.

Eine mögliche Gliederung soll dabei so aussehen, dass zuerst bisherige Thesen zur Verbundenheit vorgestellt werden. Zum Beispiel, die Theorie der Evolution von Sozialverhalten bis hin zu geteilter Aufmerksamkeit von Tomasello; Theorien über sich verbunden fühlenden Wir- Gruppen in Abgrenzung zu Sie-Gruppen; die Phänomenologie der Intersubjektivität, Fremderfahrung und Einfühlung bei z.b. Husserl, Stein und Blumenberg und die zwischenleibliche Resonanz bei Fuchs. Zudem soll die Problematisierung des Verlusts von Individualität durch Verschmelzen bei z.b. Scheler evtl. mit einer individualitäts Kritik aus 'nicht-westlicher' Perspektive verglichen werden.

Als nächstes möchte ich auf eine empirische Feldforschung zurückgreifen, bei der ich mit einem Kommilitonen die Bedingungen und Strukturen des Zusammenlebens in einer Projektgemeinschaft untersucht und Interviewmaterial über Themen wie Zusammenleben, Nähe/Distanz und Verbundenheit gesammelt habe. Aus dem Material sollen soziale und strukturell bedingte Möglichkeiten der Verbundenheit ‘extrahiert’ werden.

Danach möchte ich versuchen, auf identifizierte Strukturen zurückzugreifen, und in einer solchen Situation (z.B. eine selbstorganisierte Feier) phänomenologische Beobachtungen anzustellen, bei welchen Aspekte des Verbundenheitsgefühls herausgearbeitet werden sollen.
Diese Aspekte sollen dann wieder in den Kontext ihrer soziokulturellen Bedingungen gesetzt werden (z.B. was bedeutet eine solche Feier für mich? Inwiefern wird über geteilte Symbole kommuniziert?)
Diese Synthese soll dann abgeglichen werden mit Befunden aus neurowissenschaftlicher und psychologischer Forschung - z.B. in welchen Situationen eine erhöhte Synchronisation von Gehirnaktivität, oder Ausschüttung von Oxytocin besteht oder Mechanismen wie Bindung, Sympathie, (gruppen) Flow, Empathie und Theory of Mind.
Abgeschlossen wird mit einer Diskussion darüber, ob sich aus dieser anthropologisch- phänomenologischen Methode ein neues Modell des Verbundenheitsgefühls herausdestillieren lässt und welches Vorteile es gegenüber bisherigen Modellen hätte. 

 


Benutzerspezifische Werkzeuge